Zu Recht und sachlich richtig hat er erkannt, mit welchen Methoden die Flughafenlobby nun die EU -Kommission vor ihren Karren spannt, um den Fluglärm nicht zum Hindernis ihrer Fluginteressen, besser ihrer Profite werden zu lassen.
Genau aus diesem Grund organisiert der BVBB eine bundesweite Initiative der Bürgerinitiativen "Offener Brief" gegen die geplante Fluglärmbeförderungsverordnung der EU Kommission. So werden die Bundesregierung und die Länderregierungen aufgefordert, diesen Versuchen durch Fluglärm weiter Menschen krank zu machen einen Riegel vorzuschieben.
EU-Beamte bringen Flughafenanwohner auf die Barrikaden
01.02.12 | 10:46 Uhr Seit Wochen quillt das Postfach von Michael Cramer über. Über tausend E-Mails sind mittlerweile bei dem Europaabgeordneten der Grünen eingegangen. Es sind keine netten Briefe, die ihn erreicht haben. Es sind immer die gleichen Beschwerden: über die Luftverkehrsbranche, ihre Lobbyverbände und die Politiker.
Berlin (dapd-bay). Und noch in einem weiteren Punkt gleichen sich die Schreiben: ihre Absender wohnen alle in der Nähe eines Flughafens - und fürchten um ihre Nachtruhe.
Schuld an der Aufregung sind aus ihrer Sicht die Mitglieder der EU-Kommission. Auf ihrer Sitzung am 1. Dezember 2011 winkten sie einen Vorschlag für eine neue Verordnung durch. Sollte die Gesetzesinitiative tatsächlich ratifiziert werden, dann könnte die Kommission in Brüssel künftig zentral innerhalb der EU Nachtflugverbote aufheben, wenn sie unerwünschte Auswirkungen auf den Wettbewerb der Flughäfen haben.
Bürgerinitiativen betroffener Anwohner in Frankfurt, München oder Berlin sind alarmiert - und erbost. Denn sie fürchten Schlimmes. 'Es könnten bei Flughafenbetreibern und Luftfahrtgesellschaften die Begehrlichkeiten geweckt werden, über bekannte Lobbystrategien in den europäischen Gremien missliebige Betriebsbeschränkungen in harmonisierte Betriebsvereinfachungen zu wandeln', schreibt zum Beispiel Ralf Müller, Mitglied der Friedrichshagener Bürgerinitiative (FBI) in Berlin.
In Berlin ist der Argwohn groß. Am 3. Juni soll der neue Großflughafen in Schönefeld eröffnet werden. 360.000 Flüge donnern dann pro Jahr über die Region. Seit Monaten streiten sich die Anwohner wegen der Lärmbelastung über Flugrouten und Flugverbote. Und nach derzeitigen Planungen ist eines klar: Absolute Ruhe haben die Bewohner im Berliner An- und Abfluggebiet nur zwischen 24.00 und 5.00 Uhr. Allein für diese fünf Stunden haben die Bürgerinitiativen lange vor deutschen Gerichten gekämpft. Und nun sollen Beamte im fernen Brüssel entscheiden dürfen, ob die Ruhezeit gut oder schlecht ist.
'Das ist unmöglich', schimpft Cramer. Seit 2004 sitzt der Berliner im Europaparlament. Als verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion hat er dort schon einiges erlebt. Aber das geht auch ihm jetzt zu weit. Er teilt durchaus die Sorgen der Flughafenanwohner: 'Der ökonomische Anreiz ist sicherlich mit ausschlaggebend für die Initiative gewesen', sagt er. Die Interessen der Anwohner würden jedenfalls nicht berücksichtigt.
Das sieht die Kommission freilich anders. Gerade weil immer mehr EU-Bürger unter Fluglärm zu leiden hätten, sei zur Minderung der Belastungen eine 'aktive Lärmbekämpfungsstrategie' notwendig, heißt es zur Begründung in dem umstrittenen Papier, das den Titel 'Verordnung über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen' trägt. Deshalb müsse das Ziel sein, die unterschiedlichen Regelungen in der EU zu harmonisieren und Beschränkungen wie Nachtflugverbote einheitlichen Kriterien zu unterwerfen. Letztendlich schaffe das auch mehr Rechtssicherheit für die betroffenen Bürger.
Aus Sicht der Kommission gibt es nur eine kleine Einschränkung: Bei alledem müssten auch künftig die Interessen der Anwohner mit den Belangen des Luftverkehrs abgewogen werden. Das könne im Einzelfall halt auch bedeuten, dass Betriebsbeschränkungen wie Nachtflugverbote nach eingehender Prüfung von der Kommission ausgesetzt werden könnten, heißt es dazu in Artikel 10 des Verordnungsentwurfs.
'Damit wird der Lärmschutz auf den Kopf gestellt', sagt Cramer. Statt über Mindeststandards den Bürgern ein Mindestmaß an Ruhe zu garantieren, wolle sich die Kommission mit der Verordnung vor allem Kompetenzen sichern, kritisiert er. Trotzdem warnt er vor Panikmache. Schließlich sei der Vorschlag noch in keiner Weise ratifiziert. Die Aussichten für ein Scheitern der Initiative beurteilt Cramer jedenfalls verhalten optimistisch.
Der Grund: Bevor die Verordnung in Kraft treten kann, müssen noch der Europäische Rat und das EU-Parlament dem Vorhaben zustimmen. Ob die deutsche Bundesregierung dabei im Rat grünes Licht gibt, ist noch unklar. 'Der Meinungsbildungsprozess ist noch nicht abgeschlossen', teilt das zuständige Bundesverkehrsministerium auf dapd-Anfrage mit. Indes ist sich Cramer fast sicher, dass die Verordnung spätestens am Widerstand im Parlament scheitern könnte: 'Viele Abgeordnete haben einen Flughafen im Wahlkreis. Für ihre Wiederwahl macht sich eine Zustimmung nicht gut', sagt der Berliner.
dapd