Nach mehr als dreijähriger Arbeit kam ein niedersächsischer Untersuchungsausschuss kürzlich zu dem Ergebnis, dass das marode Salzbergwerk “Asse” bei Wolfenbüttel nie zur Lagerung von Atommüll hätte genutzt werden dürfen. Der Vorwurf lautet: Politik in Land und Bund sowie Ministerialbürokratie und Wissenschaft hätten die Risiken des Standorts systematisch verkannt und klein geredet. Die Folgen für das kollektive Versagen sind dramatisch. 126.000 Fässer mit radioaktivem Atommüll müssen nun aus dem Pannen-Endlager geborgen werden. Eine Mammut-Aufgabe mit Mammut-Kosten für den Steuerzahler. Mindestens vier Milliarden Euro sind dazu nötig und weitere Kostensteigerungen nicht ausgeschlossen, wie fast immer, wenn deutsche Behörden planen und bauen.
Was das marode Endlager für die Atomwirtschaft, ist der Hauptstadtflughafen BER für die deutsche Luftverkehrswirtschaft. Denn genauso wie die Probleme des Standorts “Asse” über Jahrzehnte systematisch geleugnet wurden, genau so wurden und werden die Probleme des Standorts Schönefeld verharmlost und kleingeredet. Ähnlich sieht es bei den Kosten aus. Nicht genug damit, dass sich die Baukosten für die “peinlichste Baustelle Deutschlands” von ehemals 1,7 Milliarden Euro auf inzwischen 4,27 Milliarden fast verdreifacht haben, nein, es ist auch schon heute absehbar, dass der BER auf Jahrzehnte am Subventionstropf der öffentlichen Haushalte hängen wird, ganz genauso wie das Atommüllendlager.
Ähnlich die Situation beim Schallschutz. Während die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) und ihr Aufsichtsrat mit Wowereit und Platzeck (beide SPD) über Jahre hinweg dessen wahren Kosten in offensichtlich betrügerischer Absicht verschleierten, führt das Urteil des OVG Berlin Brandenburg vom 15.06.2012 zu einer wahren Kostenexplosion von ehemals 140 auf jetzt 750 Millionen Euro, sofern das OVG seine Entscheidung in der Hauptsache bestätigen sollte.
Unabhängig davon aber prophezeit der BVBB neue Kostensteigerungen, da nämlich noch weitere Fragen auf ihre gerichtliche Klärung warten.
So behaupten etwa der Flughafen und die Politik unisono, dass bei Gebäuden und Wohnungen, bei denen die Kosten für den passiven Schallschutz 30 Prozent des Verkehrswertes übersteigen, lediglich eine Abfindung in dieser Höhe zu zahlen sei. Der Planfeststellungsbeschluss sieht aber keine pauschale Kappung der Kosten vor, sondern erlaubt diese nur "aufgrund der schlechten Bausubstanz". Wenn, wie in der Vergangenheit durch die FBB bereits kolportiert, bis zu 80 Prozent der Gebäude, also ca. 11.200 Gebäude im Tagschutzgebiet, unter die Entschädigungsgrenze von 30 Prozent fallen sollen, dann wird es sich wohl kaum nur um solche mit schlechter Bausubstanz handeln.
Weiter stellen das Brandenburgische Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft (MIL) sowie die FBB beim Stichtag für die Wertermittlung der Immobilien immer auf den Tag der Antragstellung für den Schallschutz ab. Damit aber hätte man unterschiedliche Stichtagsregelungen für Fall der Wertermittlung bei einem Übernahmeanspruch und bei Anwendung der Kappungsgrenze. Denn für den Fall der Übernahme gibt es aber bereits ein positives Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Az.: 1 BvR 2736/08), dass als Stichtag für die Wertermittlung nicht etwa auf den Zeitpunkt der Antragsstellung für den Schallschutz, sondern auf den Zeitpunkt der Antragstellung für die Planfeststellung abhebt, also auf einen Zeitpunkt, an dem die Verkehrswerte deutlich über den heutigen lagen.
Es ist also nicht weit hergeholt, wenn der BVBB heute einschätzt, dass allein die Kosten für den Schallschutz auf 1 Milliarde Euro steigen werden.
Zusätzliche Kosten für Beseitigung von Baupfusch und Fehlplanung, von Abriss und Neubau, von Schadenersatzforderungen von Fluggesellschaften, der Bahn AG und Gewerbetreibenden sind seriös derzeit nicht einschätzbar.
Fachleute gehen inzwischen davon aus, dass der Gesamtinvestitionsaufwand des Flughafens BER die 10 Milliarden-Grenze überschreiten wird. Nicht eingerechnet ist die absehbare Kostenlawine für den Verlustvertrieb des BER, die auf Dauer den Steuerzahler in Geiselhaft nehmen wird.
Absehbar aber schon heute ist, dass es den Steuerzahler nur Bruchteile der anstehenden benötigten Zusatzkosten für die Heilung des BER und seinen möglichen Betrieb am Standort Schönefeld kosten würde, wenn eine Entscheidung für die Errichtung eines entwicklungs- und zukunftsfähigen Zentralflughafens für Deutschland an einem geeigneten menschenverträglichen Standort in Brandenburg getroffen und zur Privatisierung ausgeschrieben würde.
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