Der Bürgerverein Brandenburg Berlin e.V. (BVBB) hat, neben der bereits seit Mai 2012 anhängigen Klage zum Schallschutz, beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) zwei weitere Klagen gegen Deutschlands größte Investruine, den Pleiteflughafen BER eingereicht.
Die erste Klage vom 19.03.2013 richtet sich gegen die unvollständige Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für den Ausbau des Flughafens Schönefeld. In einem Vorabentscheidungsersuchen hat der Europäische Gerichtshofs (EuGH, Az.: C-420/11) erst kürzlich entschieden, dass auch Vermögensschäden vom Schutzzweck der UVP-Richtlinie erfasst werden.
Eine Untersuchung hingegen, welche die Wertminderung von Häusern und Grundstücken durch den vom BER ausgehenden Fluglärm ermittelt, hat es im Rahmen der Prüfung der Umweltverträglichkeit für den BER nie gegeben.
Dass die Planfeststellung bereits abgeschlossen ist, ist dabei unerheblich. Wird nämlich bei einem gestuften Genehmigungsverfahren auf der dafür vorgesehenen Ebene die Prüfung der Umweltverträglichkeit nur unvollständig durchgeführt, so müssen nach der Rechtsprechung des EuGH die nationalen Gerichte zur Sicherstellung der Wirksamkeit der Richtline notfalls dafür Sorge tragen, dass die Prüfung in einem nachfolgenden Verfahrensschritt nachgeholt werden kann. Dafür kommt es auch nicht darauf an, ob auf der entsprechenden Prüfungsebene im Recht des einzelnen Mitgliedsstaates überhaupt eine UVP vorgesehen ist.
Im Sinne des EuGH stellt die Festlegung der An- und Abflugverfahren für den BER eine Stufe des Iuftverkehrlichen „Genehmigungsverfahrens“ dar.
Mit der Klage vom 19.03.2012 will der BVBB gerichtlich feststellen lassen, ob die bisherige UVP unvollständig und dadurch mangelhaft war. Ferner soll geprüft werden, ob Vermögensschäden in Form von Immobilienwertverlusten die auf den Flughafenausbau zurückzuführen sind, bei der Flughafengesellschaft geltend gemacht werden können.
Heute nun wird eine weitere vom BVBB initiierte Klage eingereicht. Sie wurde erforderlich, weil der Leiter der Planfeststellungsbehörde im Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg (MIL) nicht bereit ist, seine am 21. September 2011 vor dem Bundesverwaltungsgericht persönlich gemachten Zusagen einzuhalten. So erklärte Ministerialdirigent Bayr damals auf Grundlage eines vom Gericht formulierten Vorschlags u.a.:
"Für die Zeit zwischen der Inbetriebnahme von BBI am 3. Juni 2012 und der Festsetzung der Schutz- und Entschädigungsgebiete ... ist sicherzustellen, dass das Lärmschutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses in der geltenden Fassung umgesetzt wird."
Die Prozesserklärung wurde notwendig, weil bereits damals offensichtlich war, dass die der Planfeststellung zuvor zugrunde gelegten Flugrouten nur Fantasie-Gebilde der beteiligten Behörden waren. Mit der vom MIL abgeforderten Prozesserklärung wollte das Gericht sicherstellen, dass Betroffene, die durch die wahren Flugrouten eine “Entlastung” erfahren, beim Schallschutz trotzdem nicht schlechter gestellt würden. Weiter musste das MIL auch erklären, dass die von den echten Flugrouten Neu-Betroffenen den gleichen Schutz erhalten werden.
Von dieser Linie ist das MIL nun in seinen Vollzugshinweisen vom 13. Dezember 2012 abgerückt, in dem es im Widerspruch zur der eigenen Prozesserklärung dem Flughafen beschied, dass "bei der Dimensionierung des baulichen Schallschutzes in den planfestgestellten Schutzgebieten von den derzeit per Rechtsverordnung ausgewiesenen Flugrouten auszugehen" ist.
In gleicher Weise ließ das MIL den BVBB mit Schreiben vom 11. März 2013 wissen, dass die Behörde es als sachgerecht empfinde, “die Dimensionierung des baulichen Schallschutzes auf der Grundlage von Fluglärmbelastungen vorzunehmen, denen die vom BFA festgelegten Flugverfahren zugrunde liegen”.
Während sich das MIL bisher auf die tatenlose Duldung der rechtswidrigen Schallschutzpraxis des Flughafens beschränkte, scheint das SPD-geführte Ministerium jetzt offen dazu übergegangen zu sein, aktive Mithilfe bei dem Versuch zu leisten, die Anwohner weiter “über den Tisch ziehen zu wollen”. Das MIL ist damit eine Aufsichtsbehörde, der er es an der grundsätzlichen Bereitschaft mangelt, die Einhaltung des eigenen Planfeststellungsbeschlusses durchzusetzen. Stattdessen agiert die Behörde ganz offensichtlich als verlängerter Arm des Flughafens und seines Aufsichtsrats.
Nach Auffassung des BVBB erfolgt die Missachtung der Prozesserklärung im politischen Auftrag, um den Flughafen vor den ausufernden Kosten als Folge der falschen Standortwahl zu schützen.
Dazu passt dann auch, dass Platzeck (SPD) mehrfach erklärte, ihm sei das Wohl der Steuerzahler wichtiger, als das Elend der Opfer seiner verkorksten Flughafenpolitik. Übersetzt auf die Situation der Anwohner heißt das nichts anderes, als dass Platzeck der Behörde wohl freie Hand für alle Arten von Tricks gegeben hat, um den Schallschutzaufwand für den Flughafen so billig als irgend möglich zu machen.